„Hier ist man frei!“

Erster Beigeordneter Dr. Andreas Jürgens nach der Auszeichnung mit Präsident Friedel Kopp, Beigeordneter Dieter Schütz und der Landesdirektorin Susanne Selbert.
Erster Beigeordneter Dr. Andreas Jürgens nach der Auszeichnung mit Präsident Friedel Kopp, Beigeordneter Dieter Schütz und der Landesdirektorin Susanne Selbert.

Dr. Andreas Jürgens, erster Beigeordneter im Landeswohlfahrtsverband, wurde am Mittwoch, 20. März 2024, mit der Ehrenplakette des LWV in Gold für sein unermüdliches Wirken für den Landeswohlfahrtsverband ausgezeichnet.

Präsident Friedel Kopp ehrt Dr. Andreas Jürgens.

Man kann ihn guten Gewissens als ein Ur-Gestein des LWV bezeichnen, 12 Jahre lang war er das Gesicht und der Kopf des LWV, er hat Vieles möglich gemacht, Neuerungen auf den Weg gebracht, Verbesserungen umgesetzt. Dazu zählen u.a.:

  • Die Realisierung des Gesamtplanverfahrens mit Bedarfsermittlung und Teilhabeplan
  • In ganz Hessen wurden die Außenstellen „LWV-vor-Ort“ als Mittelpunkt der Teams Bedarfsermittlung etabliert
  • Die Weiterentwicklung des ITP zum PiT
  • Änderung der bisherigen Organisationsstrukturen, weg von der zielgruppenspezifischen hin zur regionalen Ausrichtung
  • Aufbau des Fachdienstes und Integration in die neuen Teilhabefachbereiche
  • Einführung kennzahlenbasierender Steuerungskreisläufe
  • Ausweitung und Neugestaltung der Gedenkstätte Hadamar

Auch war Andreas Jürgens führend bei der Konzipierung der neuen Leistungs- und Finanzierungssystematik und brachte sie zur Umsetzung. Aktuell wurden rund 600 neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen.

Dr. Andreas Jürgens sitzt am Rednerpult.
Dr. Andreas Jürgens bedankt sich in seiner emotionalen Rede für die Auszeichnung.

Andreas Jürgens kann mit Stolz auf die Dinge zurückblicken, die durch ihn erfolgreich umgesetzt wurden. In seiner Dankesrede erzählt er über eine Begebenheit, die deutlich macht, wie viel ihm die Arbeit beim Landeswohlfahrtsverband bedeutet hat:

Ich erinnere mich daran, ich bin vor gar nicht langer Zeit in Gießen gewesen, bei der Einweihung einer neuen inklusiven Wohnform. Dort wurde eine junge geistig behinderte Frau, die dort mit ihrem Partner eingezogen war – sie wohnte vorher in einer Einrichtung – gefragt, was ist denn eigentlich für sie der größte Unterschied? Sie sagte, hier gibt es nicht so viele Regeln, an die man sich halten muss, hier ist man frei.“

Für Andreas Jürgens ist dies der Satz, so praktisch und dabei so bedeutsam, dass er auch für sein ganz persönliches Lebensziel gilt: Das „Mehr“ an Lebensqualität für viele, viele behinderte Menschen, ein Alltag, der nicht reglementiert werden muss, ein selbstverständliches Miteinander behinderter und nicht-behinderter Menschen.

Seine intensiv geäußerte Bitte am Ende seiner Rede geht zu Herzen und sollte uns Verpflichtung sein: „Achten Sie auf meinen LWV, behandeln Sie ihn gut, schützen und unterstützen Sie ihn, er ist es wert, denn er wird noch gebraucht.“

Dankesrede von Dr. Andreas Jürgens

Sehr verehrter Herr Präsident, lieber Friedel Kopp, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Verwaltungsausschuss, Damen und Herren aus dem Hauptausschuss, die mir diese Ehrung zu teil haben werden lassen, ich darf mich ganz herzlich bedanken, sie bedeutet mir viel.

Natürlich erschließt sich das, was ich aus anderem Anlass schon mal gehört habe.


Die meisten Menschen sind ein bisschen besser, als ihr Ruf und ein bisschen schlechter, als ihr Nachruf.


Deswegen, Herr Kopp hat natürlich maßlos übertrieben, aber ich muss einräumen, es hat mir gefallen.


12 Jahre als Hauptamtlicher sind eine lange Zeit, die allerdings relativ schnell vergangen ist rückblickend. Aber manchmal muss man sich vergewissern, was in dieser Zeit alles stattgefunden hat.


PerSEH war schon von meiner Vorgängerin initiiert und in 3 Modellregionen eingeführt worden. Wir haben es dann in das Gesamtprojekt Steuerung und Teilhabe integriert. Das war dann Vorbild auch für das Bundesteilhabegesetz, in dem dann sozusagen den Trägern gesetzlich vorgeschrieben wurde, was wir teilweise selbst schon tun wollten. Und gestützt auf das Gesetz konnten damit auch Widerstände bei uns im eigenen Haus überwunden werden und PerSEH nahm richtig Fahrt auf.


Ich darf mal kurz erinnern, nur stichwortartig:


Wir haben das Gesamtplanverfahren mit Bedarfsermittlung und Teilhabeplan schrittweise in allen Regionen umgesetzt.
Wir haben überall LWV-vor-Ort als Mittelpunkt der Teams Bedarfsermittlung etabliert.
Fallabgaben und Fallübernahmen im Zuge der Zuständigkeitsveränderungen wurden fast reibungslos abgewickelt.
Die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen insbesondere, wurde realisiert.
Der ITP zum PIT weiterentwickelt.
Organisationsstrukturen verändert, weg von der zielgruppenspezifischen hin zur regionalen Ausrichtung.
Der Fachdienst wurde aufgebaut und in den neuen Teilhabefachbereichen integriert.
Wir haben kennzahlenbasierende Steuerungskreisläufe eingeführt.
Landesrahmenverträge intensiv verhandelt und abgeschlossen.
Neue Leistungs- und Finanzierungssystematik nicht nur konzipiert und beschlossen, sondern auch in die Umsetzung gebracht. Aktuell rund 600 neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen.
Die elektronische Akte und das Datenmanagementsystem eingeführt.


Ich bin natürlich ganz besonders stolz darauf, dass wir den Kampf um den Erhalt des Landeswohlfahrtsverbandes, den ich aus der damaligen Verwaltungsspitze praktisch allein führen musste, schließlich erfolgreich bestehen konnten.


Heute ist der Landeswohlfahrtsverband Hessen allgemein anerkannt als effektive und erfolgreiche Verwaltung.


Und als sichtbaren Ausdruck nenne ich immer eine Zahl, die besonders beeindruckend ist, wie ich finde.


Vor 12 Jahren, als ich hier angefangen habe, hatten wir ungefähr 1/3 der leistungsberechtigten Menschen, die die Unterstützung im häuslichen Bereich bekommen haben und 2/3 in stationären Einrichtungen. Heute aktuell 2024 ist das Verhältnis komplett umgekehrt. Wir haben ungefähr noch 1/3 in den besonderen Wohnformen und 2/3 in der eigenen Häuslichkeit. Damit haben wir tausenden von behinderten Menschen ein „Mehr“ an Lebensqualität verschafft.


Ich erinnere mich daran, ich bin vor gar nicht langer Zeit in Gießen gewesen, bei der Einweihung einer neuen inklusiven Wohnform. Dort wurde eine junge geistig behinderte Frau, die dort mit ihrem Partner eingezogen war – sie wohnte vorher in einer Einrichtung –  gefragt, was ist denn eigentlich für sie der größte Unterschied. Sie sagte, hier gibt es nicht so viele Regeln, an die man sich halten muss, hier ist man frei. Das war so praktisch und bedeutsam ausgedrückt, wie man es eigentlich praktischer und bedeutsamer gar nicht sagen kann. Das „Mehr“ an Lebensqualität für viele, viele behinderte Menschen, das wir damit erreichen konnten, ist glaube ich, der Aufgabe wert, der wir uns täglich stellen.


Nicht zu vergessen natürlich in meinen Zuständigkeitsbereich auch die Neuaufstellung des Archivs mit neuen Räumen, neuem Personal und neuer Leitung.


Und natürlich die Gedenkstätte Hadamar, deren deutliche Ausweitung und Neugestaltung wir auf den Weg bringen konnten mit Unterstützung des Bundes und des Landes. Das ist eine große Aufgabe, die da noch vor uns steht, aber eine ebenso bedeutsame und wichtige.


Ich bekomme ja immer die Informationen, was in der Presse über den Landeswohlfahrtsverband steht. Und ungefähr 80 % aller Veröffentlichungen, wo der Landeswohlfahrtsverband auftaucht, beschäftigen sich mit den Besuchen der Gedenkstätte Hadamar, durch Schulklassen, durch andere Gruppen usw..
 
Aber alles das, was wir gemacht haben in den letzten 12 Jahren, ist natürlich nicht nur von einer Person, nicht nur von mir gemacht worden, sondern alles war nur zu erreichen unter Mitwirkung von vielen, vielen engagierten, innovativen und kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die daran mitgewirkt haben. Ein großer Teil der heute mir zu Teil werdenden Auszeichnung gehört auch ihnen, Ihnen, Euch allen, gehört dem gesamten Landeswohlfahrtsverband und dafür herzlichen Dank!


Wenn ich am 30. April aus dem Amt scheide, habe ich für die Zukunft eine Bitte an Sie alle. Achten Sie auf meinen LWV, behandeln Sie ihn gut, achten Sie auf ihn, schützen und unterstützen Sie ihn, er ist es wert, denn er wird noch gebraucht.

 

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