Rede von Michael Thiele zum Haushalt – anlässlich der Verbandsversammlung am 18. Juni 2025.
Die progressive Steigerung der Mehrkosten im Bereich der Eingliederungshilfe wirkt ungebremst. Die 213 Millionen Euro an Mehrkosten für die Träger des LWV Hessen sind eine große Herausforderung für die Kommunen. Bis dato sind keine wesentlichen Sparmaßnahmen für uns erkennbar, außer den von Ulrike Gote vorgeschlagenen aus den vergangenen Monaten.
Die wesentlichen Steigerungen der Mehrkosten ergeben sich einerseits aus den erheblichen Tarifsteigerungen der Beschäftigten sowie der Leistungserbringer und den Fallzahlsteigerungen von 600 kalkulierten zusätzlichen Hilfeempfängern. Die festgestellte Steigerung der Umfänge an Betreuung für Menschen mit Behinderung bewegen sich in einem weiterhin stetig steigenden Verlauf, sie umfassen eine Größenordnung von ca. 50 Millionen Euro. Unterstellen wir einmal, dass diese zusätzlichen Bedarfe nunmehr die tatsächlichen Bedarfe der betroffenen Menschen mit Behinderung sind, so können wir auf der einen Seite feststellen, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Sinne des Gesetzgebers positiv wirkt. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir hier keine Krise der Eingliederungshilfe vorfinden, sondern es ist eine Krise der Unterfinanzierung der Kommunen, die, so lässt sich übergreifend feststellen, tatsächlich aus dem letzten Loch pfeifen.
Dass wir bis heute keine wesentlichen Ergebnisse der eingeleiteten Prozesse der neuen Mehrheit feststellen können, macht deutlich, dass der Bruch der Koalition nicht an einem Mangel an Innovation, Kreativität und Gestaltungwillen der Grünen Fraktion gelegen hat, sondern es ein bewusst herbeigeführter Bruch war, der eigentlich nur zum Ziel haben kann, dass sie an wesentliche Bereiche der Personenzentrierung die Axt anlegen wollen. Wir sagen: Hände weg von der Personenzentrierung! Sie ist die Seele des Bundesteilhabegesetzes, mit dem wir unseren internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung der Inklusion der Bundesrepublik Deutschland nachkommen.
Inklusion ist mittlerweile ein Menschenrecht.
Viel mehr sollten Sie lieber den Prozess der Personenzentrierung weiter vorantreiben, ihn weiterentwickeln und von unnötigen Bürokratiemonstern entschlacken mit dem Ziel, die individuelle Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit im Blick zu behalten. Ein wesentlicher Baustein der Umsetzung fehlt allerdings bisher und insofern ist der Prozess der Personenzentrierung auch im Land Hessen noch nicht abgeschlossen. Es ist die Evaluation – ohne sie ist die Bearbeitung einer Struktur, der Prozess und die Ergebnisqualität auf der Ebene der Assistenzleistung bei den Trägern vor Ort nur die Hälfte wert. Ohne diesen letzten Schritt, die Erfolgskontrolle, stellt sich also die Frage: Was kommt hinten raus? Das Verfahren ist bisher eine Blackbox, in die viel Geld gegeben wird. Bis dato wird nicht abschließend ermittelt, inwieweit die erbrachte pädagogische Dienstleistung in Qualität und Umfang dem vereinbarten Rahmen entspricht bzw. ob die Finanzmittel, die dafür zur Verfügung gestellt wurden, adäquat verwendet wurden. So sollte alle 3 – 4 Jahre ein solcher Evaluationsprozess zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion durchgeführt werden. Dafür bedarf es noch gewisser Vorarbeiten und auch eines gemeinsamen Konsenses mit den Leistungserbringern: Wo soll die Reise hingehen und welchem Zweck dient die gesamte Veranstaltung?
Mit dem Griff auf die Pensionszurückstellungen haben Sie sicher, manche würde sagen „einen geschickten Taschenspielertrick“ vollzogen. Sie kaufen sich Zeit – zwei Jahre, die sie dafür nutzen können, genau diese Effizienzsteigerung im Rahmen der Evaluation des Assistenzprozesses durchzuführen.
Nutzen Sie diese Zeit, danach sind wir blank und stehen nackt im Wind.
Michael Thiele
Fraktionsvorsitzender