Entwurf Haushalt 2016

Auch dieses Jahr im März verabschieden wir den Haushalt des Landeswohlfahrts­verbandes Hessen, beraten ihn mehr oder weniger intensiv.

Auch dieses Jahr im März verabschieden wir den Haushalt des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, beraten ihn mehr oder weniger intensiv in den Ausschüssen und geben ihn auf den Weg. Für die langgedienten Abgeordneten ist das eine jährlich wiederkehrende Prozedur. Man könnte meinen, im LWV nichts Neues, die Fallzahlen steigen, die Kosten steigen. Aber, meine Damen und Herren, schaut man genauer hin, beobachtet man die Veränderungen im Umgang mit dem Haushalt über die Jahre. Sie sind zuverlässig und präzise, heute in 2016 sowie in den vergangenen Jahren können wir auf ein solides Zahlenwerk blicken können. Ein Haushalt, von dem anzunehmen ist, dass er in der unterjährigen Bewirtschaftung sehr nah an den Ist-Zahlen sein wird. Die ersten Schritte hierzu wurden 2015 mit dem Eckwertebeschluss gefasst und unterjährig nach der Verabschiedung begleitet durch die Controlling-Berichte. Wir können heute auch auf eine solide Haushaltsüberwachung und ein solides Controlling blicken. Dies ist dem Verband nicht in den Schoß gefallen. Schaut man hinter die Kulissen, tiefer hinein in die Zahlen, in die Benchmarks, wird eine aktive, eine gestaltende Politik deutlich. Die Aufwendungen im Gesamthaushalt steigen auf ungeahnte 1.864.955.000 Euro. Das bedeutet einen Anstieg der Aufwendungen von über 81 Mio. und einen Anstieg der Erträge von über 10 Mio., d.h. unter dem Strich ein Nettoanstieg von 71 Millionen. Damit bewegen wir uns in einer gewissen Kontinuität der vergangenen Jahre. Im Wesentlichen sind die Anstiege natürlich wieder verursacht durch die Fallzahlanstiege mit 1.616 zusätzlichen Fällen. Und so wie in den vergangenen Jahren ist der größte Anstieg (2/3 der zusätzlichen Fälle) bei den Menschen mit seelischer Behinderung und Abhängigkeitserkrankung zu verzeichnen. Mittlerweile beträgt die Steigerung in diesem Bereich schon 63 Prozent der Gesamtzahlen der Fälle. Der Hebesatz der Verbandsumlage sinkt bei gestiegener Wirtschaftskraft in Hessen und somit verzeichnet sie eine Absenkung auf 11,1103 Prozent Verbandsumlage.

Ausgesprochen erfreulich ist festzustellen, dass der Refinanzierungsanteil der Sozialhilfeleistung aus Erträgen der EU-Renten – kontinuierlich weiter ansteigt auf mittlerweile mehr 50 Millionen Euro. Ca. 10 Prozent der Hilfeempfänger sind mittlerweile EU-berentet, d.h. im Moment 6.424 EU-Rentner, die fleißig einzahlen. Bezüglich der Fallzahlsteigerung ist keine Trendwende zu erkennen und auch unabhängige Prognosen stellen anheim, dass hier in den nächsten Jahren keine Trendwende im Fallzahlanstieg zu erwarten ist. Aber schauen wir doch mal genauer hin. Dann können wir deutlich erkennen, dass gegengesteuert wird, dass es nicht eine Fortschreibung der Angebotsstruktur im bekannten Sinne gibt, sondern immer wieder personenzentrierte neue Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen gibt. An erster Stelle ist hier zu nennen die erfreuliche Entwicklung im Bereich des Betreuten Wohnens. Durch seine starke Ausdifferenzierung vor über 10 Jahren, die Auflösung starrer Hilfebedarfsgruppen, die Hinführung zu Stundenkontingenten, die für einzelne Klienten vereinbart werden je nach Hilfebedarf und die Bildung und Schaffung eines einheitlichen Stundensatzes sind die Voraussetzung für diese Erfolgsgeschichte geschaffen worden. 

Mittlerweile geht der weitaus überwiegende Teil der neuen Hilfeempfänger nicht mehr in stationäres Wohnen, 75 Prozent, sondern er bekommt ein Angebot im Bereich des Betreuten Wohnens oder des persönlichen Budgets. Mit einer zu erwartenden Ambulantisierungsquote von über 55 Prozent sind wir auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland neben den beiden Landschaftsverbänden in Nordrhein-Westfalen und den Stadtstaaten führend. Dieses Umsteuern hat auch zu erfreulichen wirtschaftlichen Rahmendaten geführt. So konnte eine deutliche Reduktion der durchschnittlichen Aufwendungen pro Hilfeempfänger über die Jahre im Bereich Wohnen erreicht werden. Diese Kennzahl ergibt sich, wenn man die Werte zwischen 2009 und 2016 vergleicht, in dem man die tariflichen Steigerungen absetzt, die mit den Trägern für die Entgeltsätze vereinbart worden sind. Hiernach verzeichnen wir eine tendenziell sinkende Linie, die von 20.615 sinkt auf 19.751 Euro. Neben diesen wirtschaftlichen Ersparnissen haben wir natürlich auch zur Kenntnis zu nehmen, dass es die am meisten gewünschte Wohnform ist, da sie im Rahmen von Inklusion ein völlig normalisiertes Leben in der Mitte der Gemeinschaft ermöglicht. Das ist ja unser gemeinsames Ziel.

Nochmals zurück zu den Betroffenen selbst: Der Hilfeansatz des Betreuten Wohnens führt nicht nur zu einer erhöhten Effizienz und zu einer günstigen Kostenstruktur, sondern auch zu einem Mehr an Selbstbestimmung, an größerer Selbstverwirklichung, einem höheren Nutzen durch die Wahlmöglichkeiten insgesamt, einer größeren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Lebensqualität, Normalität, größere Transparenz und Mitsteuerungsfähigkeit und Möglichkeiten für alle Beteiligten im Feld. Daneben mausert sich das Persönliche Budget mittlerweile zu einer ernstzunehmenden Alternative mit fast 800 geplanten Plätzen, eine nie geahnte oder erwartete Entwicklung.
Auch in diesem Jahr gehört zu den Unwägbarkeiten der Weiterentwicklung der Grundlagen dieses Verbandes die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Kommt es – kommt es nicht? Kommt es zu einer Entlastung der kommunalen Finanzhaushalte? Schafft das neue Bundesteilhabegesetzes mehr Perspektiven für die Betroffenen selbst, für neue Hilfeformen? Wird die historische Chance genutzt? Die historische Chance besteht darin, ein eigenes Leistungsgesetz endlich in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen für die Hilfen für Menschen mit Behinderung.

Arbeit und Beschäftigung

Ganz besonders erfreulich ist die Entwicklung der verschiedenen Initiativen seitens des Integrationsamtes. Neue Handlungsansätze führen – zu besseren Chancen zu besseren Chancen für Menschen mit Behinderungen – auf dem ersten Arbeitsmarkt. So ist die Initiative „Inklusion“ gut angelaufen. HePAS kann mittlerweile stolz die Zielerreichung vermelden. Es ist zu beobachten, dass immer mehr regionale Netzwerke entstehen, die Aktivitäten und Initiativen zur Schaffung regionaler Arbeitsmöglichkeiten mit Menschen mit Behinderungen entwickeln. Besonders wäre für die nächsten Programme zu hoffen, dass hier die Erfahrungen aus den vergangenen Initiativen gesammelt werden und es zu einem „Budget für Arbeit“ kommt. Ganz besonders scheint die Verstetigung des Nachteilsausgleichs für die Menschen mit Behinderungen im Mittelpunkt zu stehen. 

Verwaltungsreform: Zur Reform der Veraltung ist auszuführen, dass hier nun der letzte Baustein umgesetzt werden soll. In den vergangenen Jahren wurden alle Leistungsbereiche und Abteilungen des Landeswohlfahrtsverbandes untersucht. Nun verbleibt das Dezernat 200 als letztes Mosaik, welches wir uns für den Schluss aufgespart haben. Sinnvollerweise wird dieses Thema erst jetzt angegangen, da wir nunmehr in der Situation sind, dass wir PerSEH in die entscheidende Richtung weiterentwickeln können. Im Zusammenhang mit dieser Reform der Eingliederungshilfe der Weiterentwicklung eines inkludierten Hilfeansatzes in Hessen wird sich auch die Verwaltung umstrukturieren müssen. Die Anforderungen an die Mitarbeiter selbst werden sich verändern, möglicherweise Arbeitsorte, Arbeitsinhalte und Kompetenzen. Dieses entsprechend qualifiziert zu begleiten mit flankierenden Controlling und Unterstützung durch die Fachleute scheint mehr als sinnvoll und zweckmäßig. 

Diese letzte Haushaltsrede dieser Legislaturperiode gibt natürlich die Möglichkeit, Revue passieren zu lassen, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Wir haben den Anspruch „ambulant vor stationär“ in vielfältiger Weise erfolgreich umgesetzt, Großeinrichtungen bzw. Komplexeinrichtungen wurden in den vergangenen Jahren dezentralisiert. Wir sind im Rahmen der Ambulantisierungsquote wir einer der führenden in der Bundesrepublik Deutschland. Das persönliche Budget hat sich zu einem nennenswerten Hilfeansatz entwickelt. Mit HePAS und der Initiative Inklusion haben vermehrt Schwerbehinderte dauerhafte Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt gefunden. Vitos hat sich zu einer Erfolgsgeschichte gewandelt. Die enge Verzahnung von Psychiatrie und Somatik konnte im Neubau in Heppenheim, im geplanten Neubau in Bad Homburg sowie in Frankenthal realisiert werden. Die Bündelung der heilpädagogischen Einrichtungen wird ein Vielfaches an Teilhabe für Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Deren Dezentralisierung in die Region und die Erschließung anderer Hilfeformen für die Betroffenen in den HPEs. Durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess wurde der Arbeits- und Personaleinsatz intensiviert. Die Organisationsuntersuchung in den Abteilungen hat eine Personalverdichtung zur Folge gehabt. Mit der Auseinandersetzung der Rolle der Jugendheime im LWV in den 50er und 60er Jahren konnte die Wanderausstellung, die im In- und Ausland großen Zuspruch gefunden hat, auf den Weg gebracht werden. Es wurde sich bei den Betroffenen 2006 entschuldigt und eine interdisziplinäre Studie an der Uni Kassel brachte Licht ins Dunkel. Wenn wir schon bei der Vergangenheit sind, auch die Arbeit der Gedenkstätte in Hadamar wurde weiter verbessert. Die Besucherzahlen steigen weiterhin kontinuierlich. Im Moment wird ein neues Konzept für die Gedenkstätte, das den heutigen modernen Ansprüchen genügen kann, entwickelt und eine neue Ausstellung soll aufgebaut werden. 

Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, welche in der Haushaltsberatung uns mit Rat und Tat bei jeder Frage zur Seite gestanden haben, recht herzlich zu danken. Es ist letztlich festzuhalten, dass der Haushalt 2016 in der Kontinuität eines erfolgreichen politischen Gestaltungswillens dieser schwarz-grünen Koalition steht, den politischen Gestaltungswillen zu mehr Humanität, mehr Effizienz und mehr Wirksamkeit nunmehr im 11. Jahr zum Ausdruck bringt. Dies ist in den vielen Haushaltsberatungen deutlich geworden. 
Wir danken dem Landesdirektor und dem ersten Beigeordneten und bitten um Ihre Zustimmung!

Michael Thiele
Fraktionsvorsitzender

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